Ein goldener Tag

Es ist später Oktober, und die orangerot gefärbten Birken stehen in der Landschaft wie kleine Leuchtfeuer. Ich weiß, dass es nicht mehr lange dauert bis die Farbenpracht dem Wind zum Opfer fällt und der Winter Einzug hält. Also keine Zeit zu verlieren! Noch vor Sonnenaufgang stehe ich mit klammen Fingern im Feld und baue meine Staffelei vor einer prächtigen Birke auf.

Vor kurzem haben gute Freunde geheiratet, und ich bin ihnen noch ein Bild als Hochzeitsgeschenk schuldig. Was könnte sich als Motiv besser eignen als das warme Morgenlicht auf einem hellen Birkenstamm, umrahmt von leuchtenden Blättern? Einen Titel für das Bild habe ich schon: „Ein goldener Tag“.

Ich habe mit meiner Skizze schon vor Sonnenaufgang begonnen, denn sobald es hell wird muss ich mich beeilen, das Licht der frühen Morgensonne auf die Leinwand zu bannen. Dieser Zeitdruck stört mich aber gar nicht, denn dadurch wird man gezwungen, schnelle, spontane Entscheidungen zu treffen und den Pinsel fliegen zu lassen. Es geht mir nicht darum, jeden Grashalm und jedes Ästchen aufzuzählen. Ich will die Frische des erwachenden Tags und der klaren Luft einfangen.

Um mich nicht zu verzetteln verweile ich nie lang an einer Stelle des Bildes, sondern arbeite mit mehreren Pinseln überall gleichzeitig. Ein Pinsel ist für die Gelbtöne, ein anderer für den Himmel, ein dritter für die dunkleren Farben. So muss ich die Pinsel nicht auswaschen, das spart Zeit.

Etwa eine Stunde später ist das Bild fertig. Da schieben sich auch schon die ersten Wolken vor die Sonne. Ich könnte jetzt mehr und mehr Details einfügen, doch zwinge ich mich die Pinsel niederzulegen um das Bild nicht zu überarbeiten. Sollte ich in ein paar Tagen noch etwas ändern wollen, kann ich das ja immer noch tun.

Hier ist das fertige Bild.

Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass das Bild meinen Freunden auch gefällt! Sonst male ich halt noch eines....